Von Simone Richter
An einem Sonntagmorgen steht Jürgen Hofmann vor dem einstigen Stadtbad Lichtenberg in der Hubertusstraße. Die Fassade des alten Hauses ist verfallen, Fenster eingeschlagen. Mit dem Hubertusbad verbindet Hofmann eine ganz persönliche Geschichte. Dort lernte er in den 1970er-Jahren schwimmen.
Jürgen Hofmann wurde 1960 in Berlin geboren und verbrachte fast sein ganzes Leben in Lichtenberg im Kiez rund um die Frankfurter Allee. Wie alle Kinder dieser Generation in der DDR sollte auch er in der 3. Klasse schwimmen lernen. Obwohl er bereits schwimmen konnte, führte kein Weg am Schwimmunterricht vorbei.
Seit er ein kleiner Junge war, besuchte er regelmäßig mit seinen Eltern oder der Schulklasse das „Hubertusbad“, wie es auch in Lichtenberg genannt wurde. Damals ahnte er nicht, dass ihn dieses Bad später so fesseln würde.
Als er nach 1991 eines Tages ins Bad wollte, war die Überraschung groß – die Türen verschlossen, kein Hinweis vorher in der Presse, kein Schild an der Tür. Das weckte seine Neugier. Was war passiert? War das Bad nur vorübergehend geschlossen? Musste es saniert werden und wird dann im neuen Glanz wieder eröffnen? So viele Fragen in seinem Kopf, aber kaum Antworten. Das sollte bis 1996/97 auch so bleiben.
Damit war sein Ehrgeiz geweckt und er recherchierte regelmäßig wann und wo er konnte. Was soll mit dem Bad passieren? Wie sind die Pläne im Bezirk, in der Stadt? Es war für ihn unvorstellbar, dass dieses Kleinod von heute auf morgen im Dornröschenschlaf versank, niemand sich um die Erhaltung, Sanierung und Wiedereröffnung kümmerte und die Zukunft des Bades im dichten Behördennebel nicht zu erkennen war. Zunehmend verfiel das Bad, wurde als Abstellplatz genutzt und eine Wiedereröffnung rückte in immer weitere Ferne.
Kurze Zeit schlug sein Herz schneller. Es gab Pläne das Bad im Rahmen der Olympiabewerbung Berlins zu sanieren und wieder zu eröffnen. Diese Seifenblase der Hoffnung platze allerdings ganz schnell und damit auch der Traum von einem neuen, alten Lichtenberger Stadtbad.
Das war der Punkt, an dem Jürgen Hofmann und eine Handvoll andere Lichtenberger sich für den Erhalt dieses zauberhaften Bades engagieren wollten. Sie gründeten einen Förderverein, recherchierten zur Historie, machten Politiker aufmerksam und waren unermüdlich dabei, die Werbetrommel für den Erhalt und die Wiedereröffnung des alten Bades zu rühren.
Es gab einen Investor und dann wieder nicht. Es gab Ideen, einen Augenblick sogar Geld im Haushaltsplan des Bezirkes und niederschmetternde Gutachten über den Zustand des Bades und die notwendigen Sanierungskosten. Als 2001 der Bezirk Lichtenberg das Stadtbad Lichtenberg an den Liegenschaftsfonds Berlin übergab, schien das Schicksal endgültig besiegelt und der Förderverein löste sich 2003 nach monatelangem Stillstand auf. Niemals war die Prognose für das denkmalgeschützte Bad so schlecht. Das Hubertusbad wurde verschlossen für viele Jahre – der Schlüssel ist nicht mehr im Bezirk. Doch damit war das Thema für Jürgen Hofmann noch lange nicht vom Tisch.
Trotz der zerstörten Hoffnungen ließ er sich nicht entmutigen. Das Hubertusbad ließ ihn nicht mehr los und 2012 wurde nach fast einem Jahrzehnt des Stillstandes einer neuer Verein gegründet.
Seitdem sind 17 aktive Mitstreiter im Förderverein unermüdlich dabei, den Fokus der Anwohner, der Politik, der Öffentlichkeit wieder auf das Bad zu richten. Sie arbeiten die Historie des Bades auf, sammeln alte Fotos, beschaffen sich Pläne – alte und neue, entwickeln Ideen und Konzepte für mögliche Nutzungen. Sie zeigen an Hand von Beispielen in anderen Städten, dass auch eine Nutzung als Bad wirtschaftlich möglich ist. Und sie träumen ihren Traum von einem neuen Hubertusbad im alten Glanz. Von einem Bad für alle im Kiez. Die Großen und die Kleinen, Familien und Vereine, Kind und Kegel. Es könnte ein Treffpunkt sein, für die Menschen, die hier wohnen, arbeiten.
Dennoch ist es überraschend, dass es immer noch viele Lichtenberger und Lichtenbergerinnen gibt, die jeden Tag vorbeilaufen oder -fahren und nicht wissen, was sich hinter diesen grauen, tristen Mauern zwischen Atzpodien- und Hubertusstraße verbirgt. Nur selten ist einigen wenigen ein Blick ins Innere dieses maroden Klotzes mit dem imposanten Eingangsportal möglich. Aber wer einmal drin war, den fesselt diese Geschichte genau so wie Jürgen Hofmann und die Mitglieder des Fördervereins.
Ihm und den vielen anderen Sympathisanten ist zu wünschen, dass sich eines Tages die Türen wieder öffnen, die Menschen wieder diese zauberhafte expressionistische Architektur bewundern und vielleicht sogar dort baden können.
Dazu braucht Jürgen Hofmann die Öffentlichkeit, Menschen, die an seine Idee glauben und das Projekt unterstützen.
Am 09.07.2018 findet um 18:30 Uhr im Stadtteilzentrum Fannigerstraße 33, 10365 Berlin eine öffentliche Sitzung des FAN-Beirates mit dem Lichtenberger Bürgermeister – Herrn Michael Grunst statt. Es gibt Pläne für eine mögliche Zwischennutzung und vielleicht sogar Geld. Jürgen Hofmann glaubt an eine neue Chance für das Bad und dass sich die Türen des Bades bald wieder öffnen.
Fotos: Simone Richter, Steffen Wollmann
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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Workshops für journalistisches Schreiben mit Marcel Gäding. Organisiert wurde der Workshop in der Zusammenarbeit des Stadtteilzentrums Lichtenberg Nord und der Margarete-Steffin-Volkshochschule. Seien Sie gespannt auf Artikel der Kiezreporter*innen!