Von André Hoek

“Die haben es gut! Ich muss den ganzen Tag in dieser Hitze arbeiten und die liegen gemütlich in der Sonne und trinken Bier”.

Mal Hand aufs Herz, wer hat noch nicht so oder ähnlich gedacht, wenn er obdachlose Menschen im Sommer in irgendeinem Park in der Stadt gesehen hat?

Doch dieser erste Eindruck täuscht. Sehr sogar!

Wenn man an die Probleme von Obdachlosen denkt, hat man sehr oft nur die kalten Winternächte vor Augen.

Doch die Probleme dieser Menschen sind wesentlich vielfältiger. Sie leiden unter einer massiven Ausgrenzung durch die Bevölkerung, durch Behörden und Krankenhäuser. Fast nirgendwo werden sie noch als normale Menschen wahrgenommen.

Hinzu kommen die Folgen ihrer massiven Armut: schlechte Ernährung, Krankheiten, die meist nur ungenügend behandelt werden können, durch die Lebensverhältnisse bedingte mangelnde Hygiene, an den Folgen von Süchten und oftmals auch unter psychischen Problemen wie Depressionen leidend, welche oft erst auf der Straße durch die prekären Lebensverhältnisse verursacht wurden. Auch Einsamkeit und nie vorhandene Privatsphäre sind Sachverhalte, welche zur Verschlimmerung der Gesamtsituation beitragen.

Woran jedoch kaum jemand denkt, ist die Hitze während der Sommermonate.

In meiner Zeit auf der Straße, empfand ich die heißen Tage im Hochsommer teilweise schlimmer, als die kalten Nächte im Winter. Gegen Kälte kann man sich schützen, indem man sich warm anzieht oder noch einen zweiten Schlafsack organisiert – gegen die Hitze hilft nichts.

Man kann nicht regelmäßig Duschen und auch die Kleidung kann nicht regelmäßig gewechselt werden. Man klebt am ganzen Körper und wenn es richtig schief geht, wird man an bestimmten Körperstellen wund, was wiederum weitere Komplikationen nach sich ziehen kann.

Und die Hitze kostet Kraft. Physisch und psychisch. Man hat auf der Straße schon mal grundsätzlich einen deutlich höheren Stresspegel, doch die Hitze verschlimmert dies nochmal sehr drastisch. Es kommt vermehrt zu Übergriffen und auch die Spendenbereitschaft der Leute geht sehr deutlich zurück. Man lebt gefährlicher und von dem Geld, das sowieso schon nie ausreichend ist, ist nun noch weniger da.

Die Mitte des Sommers ist für Obdachlose eine wirkliche Plage, so jedenfalls mein persönliches Empfinden damals.

Menschen mit einer Wohnung und Arbeit sind der Wärme des Sommers nie für lange Zeit ausgesetzt. Man befindet sich an klimatisierten Arbeitsplätzen oder in ebensolchen Verkehrsmitteln und am Abend ist die kühlende Dusche nur wenige Schritte entfernt. Alle diese Möglichkeiten haben obdachlose Menschen nicht.

Sie sind der Hitze permanent schutzlos ausgeliefert. Am Morgen, während des Tages und auch in der Nacht. Sie bewegen sich beim Flaschensammeln fast ständig in der prallen Sonne und auf den meisten öffentlichen Plätzen, die sich zum Betteln eignen, ist der Platz im Schatten eher die Seltenheit.

Manchmal passiert es auch, dass sich ein Obdachloser in den Schatten legt und einschläft. Wenn dann die Sonne weiter zieht, befindet er sich irgendwann in der prallen Sonne und manchmal wird man davon nicht wach. Die Folgen sind fast immer Sonnenbrand, häufig verbunden mit Verbrennungen dritten Grades, manchmal ein Hitzschlag und gelegentlich sogar der Tod.

Hinzu kommt, dass oft nicht genug getrunken wird. Das Geld ist immer knapp und sehr oft so knapp, dass es nicht mal für die Flasche Wasser reicht.

Besonders alte und kranke Obdachlose leiden sehr unter dieser Situation.

Da stellt sich die Frage was man tun kann, fast von allein.

Das Einfachste, was man machen kann, ist Wasser zu verteilen. Gern auch in großen Flaschen. Entweder nimmt man dies am Morgen mit und verschenkt es an einen Obdachlosen, zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit. Wahlweise kann man dieses auch während des Tages an einem Supermarkt kaufen.

Eine weitere Möglichkeit ist, die obdachlosen Menschen auf das Angebot von www.refill-berlin.de hinzuweisen. Da Obdachlose oft keinen Zugang zum Internet haben, könnte man die Karte auf dem eigenen Handy googeln und dem Menschen auf der Straße auf die Standorte der nächstgelegenen Trinkbrunnen hinweisen und auch erklären, dass er dort seine Wasserflasche wieder auffüllen kann.

Was ebenfalls immer gebraucht wird, sind Sonnencreme und Kopfbedeckungen. Sehr gern wird auch etwas frisches Obst genommen. Letzteres versorgt die oft sehr ausgemergelten Körper der Menschen auf der Straße zugleich noch mit Vitaminen.

Wenn Sie einen Obdachlosen schlafend in der Sonne liegen sehen, sprechen Sie ihn an und fragen Sie, ob alles in Ordnung ist. Aber erschrecken Sie die Leute nicht dabei, indem Sie grob an ihnen rütteln oder diese gar mit dem Fuß anstoßen!

Erkundigen Sie sich nach dem Wohlergehen und ob etwas dringend benötigt wird. “Hallo, können Sie mich hören? ich mache mir Sorgen um Sie. Können Sie mal die Augen öffnen? Brauchen sie Hilfe?”

Das Gleiche gilt auch für die vielen anderen Obdachlosen, die man im Laufe des Tages in der Stadt trifft.

Sollte der Obdachlose nicht mehr reagieren, rufen Sie bitte einen Krankenwagen.

Ein nicht mehr ansprechbarer Obdachloser ist genauso eine hilflose Person wie jeder andere Mensch auch! Sie retten unter Umständen Menschenleben damit.

Und auch Obdachlose, selbst wenn sie betrunken sind, könnten einen Herzinfarkt oder Gehirnschlag erlitten haben.

Machen Sie dies lieber einmal mehr, als einmal zu wenig. Fehleinsätze müssen nicht von Ihnen bezahlt werden, obwohl sich dieses Gerücht seit vielen Jahren hartnäckig in einigen Köpfen etabliert hat.

Und probieren Sie Folgendes ruhig mal aus.

Geben Sie einem Menschen auf der Straße eine Flasche Wasser oder ein gekühltes Stück Melone aus dem Supermarkt nebenan. Auch wenn es manchmal nicht deutlich wird, er ist Ihnen schwer dankbar dafür. Dazu noch ein paar freundliche Worte wie “Pass auf Dich auf” sind wie Balsam auf der geschundenen Seele eines obdachlosen Menschen.

Vielleicht ergibt sich ja auch ein kleines Gespräch und Sie werden feststellen, dass der Mensch vor Ihnen sich gar nicht so sehr von Ihnen selbst unterscheidet. Auch wenn die offensichtlichen Umstände eine andere Sprache sprechen. Vielfach hatten diese Leute einfach nur großes Unglück und sind so in diese entsetzliche Situation geraten.

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