von Fiona Finke

Seit 2018 können in Berlin Lasten-Fahrräder der fLotte Berlin kostenlos ausgeliehen werden. Mit dabei sind auch mehrere Standorte in Lichtenberg. Die Räder sollen dazu beitragen, dass in unserer Stadt weniger Wege mit dem Auto zurückgelegt werden. Ihren Standort haben die umweltfreundlichen Transportmittel berlinweit zum Beispiel in Cafés und Buchläden oder sie werden von privaten Kiez-Initiativen betrieben. In Lichtenberg befinden sie sich überwiegend in Stadtteilzentren und Bibliotheken, der Bezirk hat im Rahmen der fLotte – kommunal nämlich zehn Lastenräder angeschafft. 

Diese werden vielfältig genutzt, weiß ein Mitarbeiter im Nachbarschaftshaus Orangerie (Frankfurter Allee Süd) zu berichten. Das dort ansässige Rad namens Bruno sei fast pausenlos im Einsatz und werde von Jung und Alt gleichermaßen ausgeliehen. Familien nutzen es gerne für einen Ausflug zum See, denn die geräumige Transportkiste ist mit klappbaren Holzsitzen sowie Anschnallgurten ausgestattet und bietet Platz für vier Kinder. Auch das Lichtenberger Lastenrad Roberto aus dem Haus der Generationen in Fennpfuhl ist viel unterwegs. Roberto hat hin und wieder eine ungewöhnliche Aufgabe und dient zum Büchertausch. Eine Gruppe engagierter Bürger*innen möchte in Fennpfuhl einen öffentlichen Bücherschrank aufstellen. Bis die nötigen Spendengelder dafür eingesammelt sind, wird Roberto als fahrender Büchertauschort genutzt. Das Lastenrad steht dann mit Büchern befüllt zum Beispiel auf einem Flohmarkt und Lesefüchse können kostenlos Bücher mitnehmen oder ihren gebrauchten Lesestoff hineinlegen. 

Möbelkauf mit dem Lastenrad – Ein Erfahrungsbericht

Nötig für die Nutzung des Angebots der fLotte sind nur eine kostenlose Registrierung auf der Online-Plattform, ein Personalausweis und natürlich die nötige Muskelkraft. Dann steht dem abgasfreien Großeinkauf oder dem sportlichen Ausflug mit Kind und Kegel nichts mehr im Wege. Aber ist es wirklich so einfach, wie die Initiatoren sagen? 

Es ist ein warmer Samstagvormittag im Mai 2019. Das gigantische, bunte Wandbild an der Fassade der Bodo-Uhse-Bibliothek leuchtet in der Sonne; Familien strömen aus der U-Bahn in den Tierpark. Aber ich interessiere mich heute nicht für Eisbärin Hertha, ich bin wegen Bodo nach Friedrichsfelde gekommen. Bodo ist ein zweirädriges Lastenrad und wohnt in der Bodo-Uhse-Bibliothek. Einige Tage zuvor habe ich das Rad über die Internetseite der fLotte Berlin für einen Tag reserviert. Schon im Eingangsbereich des Gebäudes sehe ich Bodo: Es steht angekettet unter der Treppe. Ich gehe erst einmal zum Informationsschalter der Bibliothek: „Hallo, ich habe das Lastenrad Bodo reserviert und möchte es gerne abholen.“ Die Mitarbeiterin weiß gleich Bescheid und gibt mir den Papierkram zum Ausfüllen: Meine Daten eintragen, dann noch die AGBs lesen und unterschreiben. Währenddessen wird mein Personalausweis abfotografiert. Einen Pfand muss ich nicht hinterlegen. Alles dauert nur wenige Minuten. Dann gehen wir zusammen die Treppe hinunter zu Bodo. Das Lastenrad ist mit zwei schweren, langen Gliederketten am Treppengeländer angeschlossen. 

Ich lerne Bodo kennen

Nachdem Bodo erfolgreich von den Ketten befreit wurde, fängt der aufregende Teil des Tages an. Ich bin noch nie zuvor mit einem Lastenrad gefahren. Doch auf dem weitläufigen Vorplatz ohne Autoverkehr ist viel Platz zum Üben. Als Erstes wollen das Aufsteigen und Losfahren erprobt werden. Das klappt schon auf Anhieb ganz gut, wenn auch etwas wackeliger als mit meinem privaten Fahrrad. Geradeaus fahren, Bremsen testen – alles prima. Als Nächstes übe ich Kurven fahren. Hier zeigt sich der größte Unterschied zum Fahrrad: Das vordere Rad von Bodo ist aufgrund der Lastenkiste ein gutes Stück weiter weg vom Lenker und der Radius ist damit größer. Nach ein wenig Hin- und Herfahren fühle ich mich sicher genug und reihe mich in den Verkehr am Tierpark ein. Mein Ziel ist ein großes Möbelhaus an der Landsberger Allee. Bis auf die letzten Meter führt die Strecke also immer geradeaus. Zudem gibt es fast durchgehend Radwege oder gekennzeichnete Radstreifen auf der Fahrbahn. Das macht das Fahren verhältnismäßig entspannt – bis ich zur ersten Baustelle komme. Wo „normale“ Radfahrer im Schritttempo weiterfahren können, muss ich absteigen und Bodo schiebend um Absperrungen herum manövrieren. Wo die Strecke frei ist, nimmt das Lastenrad aber schnell Fahrt auf und ich stelle fest, dass eine gerade Körperhaltung mit gestreckten Armen das Gleichgewichtsgefühl deutlich verbessert.  

Passt alles in die Lastenkiste?

Am Ziel angekommen, kette ich Bodo, wie vorgeschrieben mit beiden Ketten an einem Fahrradständer, fest. Kaum bin ich damit fertig, befragt mich auch schon ein anderer Radfahrer zu Bodo. Wir fachsimpeln noch ein wenig über die Herausforderungen der nicht-motorisierten Fortbewegung in Berlin, dann widme ich mich dem Möbelkauf. Dabei stelle ich amüsiert fest, dass der Einkauf ohne Auto bares Geld spart. Da ich alle Einkäufe mit der eigenen Muskelkraft nach Hause bringen muss, landen keine überflüssigen Artikel (Teelichter…) auf dem Kassenband.

Als alle Regalbretter und Kisten in Bodos offener Lastenkiste verstaut sind, drehe ich noch eine Übungsrunde auf dem Parkplatz. Das zusätzliche Gewicht macht sich bemerkbar und das Anfahren ist noch etwas wackeliger als im leeren Zustand. Auf dem Rückweg bremst mich die Großbaustelle im Bereich Friedrichsfelde-Ost noch einmal aus, doch am Ende kommen mein neues Regal, Bodo und ich zufrieden zuhause an.

Alles in allem war der Ausflug mit Bodo, dem Lastenrad, ein voller Erfolg, stellenweise aber auch ein abenteuerliches Unterfangen. Wer auf autofreien Wegen unterwegs ist, Baustellen umfahren kann und genug Ausdauer hat, wird Gefallen an Bodo und seinen Geschwistern finden. Wer sich als Radfahrer*in im Berliner Straßenverkehr unsicher fühlt, sollte zunächst einige Touren auf einem herkömmlichen Fahrrad unternehmen. 

„fLotte Berlin“ ist ein Projekt des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club Berlin e.V. (ADFC)

  • Ausleihe, Standorte und Steckbriefe der Lastenräder unter https://flotte-berlin.de/
  • Die Lastenräder können für einen, zwei oder drei aufeinander folgende Tage ausgeliehen werden.
  • Für die Ausleihe ist eine vorherige Registrierung online notwendig.
  • Das Projekt können Sie als Lastenrad-Pate oder mit einer Spende unterstützen

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