Von Alexander L.
Die Gegend um die Rupprechtstraße war zu DDR-Zeiten ein Eldorado für Liebhaber eines gepflegten Feierabendbieres. Drei Kneipen waren gewissermaßen in Laufentfernung – und jede für sich eine Institution: „Zum Eber“ (Rupprechtstraße/Eitelstraße), „Café Bärchen“ (Eitelstraße/Sophienstraße) und das „Heinzelmännchen“ (Leopoldstraße/Giselastraße). Wer in der einen Kneipe verkehrte, betrat die andere nicht. Wer in jener zu Hause war, ging nicht woanders hin… das Stammpublikum war treu.
Allerdings konnte es den Niedergang der beiden erstgenannten Kneipen nicht verhindern. Die Faktenlage über die Ursachen der Schließung von Bärchen und Eber ist dünn. Sie verschwanden nach der Wende. Auch im Internet haben sie keine Spuren hinterlassen.
Doch einige Spuren sind vor Ort durchaus vorhanden: An das „Café Bärchen“ erinnert noch die Eingangsstufe an der Häuserecke – heute befinden sich dort Wohnungen. Der „Eber“ steht leer und verlassen, nur der Ventilator zeigt noch gut sichtbare Verkrustungen alter Kneipenküchenluft. Das geübte Auge erkennt an zwei Schrauben die Haltevorrichtung des Angebotskastens von damals. Nur das „Heinzelmännchen“ überlebte von dem Kneipentrio im südlichen Weitlingkiez.
Entgegen der Namenslegende, Heinzelmännchen würden nachts das Tagwerk der Menschen verrichten, hatte es auch diese Kneipe aus den 50er-Jahren in der neuen Zeit schwer. Der Niedergang war zu spüren. Bevor die jetzigen Betreiber das Lokal übernahmen, gab es lediglich Flaschenbier.
Seit einigen Jahren stehen die Wirtsleute Peggy und Axel hinter dem Tresen. Sie haben sich der Eckkneipe angenommen. Peggy – im Hauptberuf Arzthelferin – bringt ihr quirlig-soziales Wesen in die Arbeit ein. Sie schätzt den Umgang mit vielen unterschiedlichen Menschen und hat ihre Gäste zuvorkommend im Blick. Axel ist der ruhigere Pol mit vielseitigen Erfahrungen fürs Geschäft und im Umgang mit den Kunden. Sie sind ein gutes Gespann – und das merkt man.
Beiden ist gemein, dass sie über Freunde zu dieser Kneipe gekommen sind. Peggy gefiel die Atmosphäre und sie war lose auf der Suche nach einer zusätzlichen Beschäftigung. Axel wollte der ehemaligen Besitzerin und ihrem Sohn helfen, die Umwandlung der Kneipe und des Hauses in ein Hostel zu verhindern. Fragt man die beiden nach dem Selbstverständnis ihrer Eckkneipe, kommen Worte wie „sauber, familiär und jut“ – das soll ihre Kneipe sein. Im Heinzelmännchen sehen sie zudem einen Treffpunkt im Kiez für den Kiez. So haben sich etliche Freizeitgruppen gebildet, es wird Billard gespielt, Skat gedroschen und mit Spannung die Ziehung der Bingo-Zahlen verfolgt. Auch Fußballfans kommen beim „Public Viewing“ auf ihre Kosten.
Hier, das fällt angenehm auf, gibt es keine Star-Allüren, kein Bio-Schnick-Schnack – und als Raucherkneipe auch kein Essen. Wer sich unter die Leute mischen will, Neues und Altes über den Kiez und eine familiäre Gemeinschaft erfahren will – ist hier genau richtig. Dafür kommen auch Leute von weiter her: aus Strausberg, aus Nachbarkiezen… Es gibt zwei Sorten Bier vom Fass zu günstigen Preisen (0,3/0,5 Berliner Kindl für 1,60/2,20 € und 0,3/0,5 Porter für 1,80/2,40€, diverse Flaschenbiere) und natürlich auch Hochprozentiges zu fairen Preisen.
Die Ausstattung ist rustikal. Schon an der Fassade fallen die alte historische Tür und die beiden Laternen rechts und links davon auf. Sie zieren Konterfeis vom Namensgeber „Heinzel
männchen“ – und wer hätte das gedacht, ein optimistisch dreinblickender Alf. Auch in den Schaufenstern und über dem Tresen sind die beiden Figuren präsent, aber wie gehen sie zusammen? Bereitwillig gibt Axel Aufklärung: Heinzelmännchen ist der Namensgeber – und Alf der Spitzname des Wirtes.
Ansonsten, und das betonen beide, ist das „Heinzelmännchen“ brauereifrei. Sie beziehen also das Bier nicht von einer Brauerei und müssen deren Produkte verkaufen und Vorschriften einhalten, sondern sie bewahren sich ihre Unabhängigkeit. Die Gäste im Alter von 18 bis über 70 sind langjährige Besucher, die bereits, wie in Berlin typisch, ihre Spitznamen bekommen haben. Nur Eingeweihte wissen, um wen es sich handelt, wenn vom Postminister die Rede ist – und kaum eine andere Kneipe hat einen rührigen Hobbyornithologen als Hausmeister.
Die Räume kann man übrigens auch mieten.
„Was wäre, wenn es die Kneipe nicht mehr gäbe“, murmelt Axel in den nicht vorhandenen Bart – und erwähnt die Häme der Nachbarn, die es angeblich schon schon immer gewusst hätten, dass es eine Kneipe hier schwer hat …. und das sonst wohl kein Hahn nach ihr krähen würde. Sein Körper strafft sich. Er ist ein Geschäftsmann der freundlichen Art. Er hat immer noch einen Trumpf im Ärmel – oder vielleicht doch ein Heinzelmännchen, was hilft. Die sympathische Art von Peggy und Axel (und ihrem Team) ist es, die diese Kneipe zu einem Wohlfühlort werden lässt, denke ich während das frisch gezapfte Bier durch meine Kehle rinnt. Auf ein Neues…
Fotos: Alexander L.
Gaststätte „Heinzelmännchen“
ADRESSE Giselastraße 4
ÖFFNUNGSZEITEN täglich ab 16 Uhr
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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Workshops für journalistisches Schreiben mit Marcel Gäding. Organisiert wurde der Workshop in der Zusammenarbeit des Stadtteilzentrums Lichtenberg Nord und der Margarete-Steffin-Volkshochschule.
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