Von Simone Richter

…nein, es geht nicht um den Klimawandel, das Schmelzen der Gletscher und den viel zu trockenen Sommer in unserer Region. Es geht um hausgemachtes Speiseeis. Lecker und erfrischend und das mitten im Kiez – auf dem Freiaplatz.

Doch seit einigen Wochen ist es damit vorbei und es sieht so aus, als wenn der kleine bunte Kiosk dort nicht mehr öffnen wird. Als ich für meine Recherche vor Ort fotografierte, spricht mich ein junges Paar an. Sie finden es schade, dass der Eisladen geschlossen ist. Bei meinem Treffen mit dem Inhaber des Kioskes, Herrn Nasrat, kommt ein Vater mit seiner kleinen Tochter vorbei. Er fragt, warum es kein Eis mehr gibt und ob der Laden bald wieder öffnet.  Auch Herr Nasrat erzählte mir, dass der kleine Eiskiosk gut angenommen wurde. Eltern mit ihren Kindern, die vom nahen Spielplatz kamen, Vorbeieilende auf dem Weg zu Bus und Bahn oder Menschen, die einfach im Park ein wenig entspannen wollten, nutzten sein Angebot gern. Das hat auch etwas mit dem Platz gemacht – er wurde belebter und bunter sowieso. Es entstand eine schöne Atmosphäre.

Der lustige bunte Kiosk bringt tatsächlich Farbe auf den Platz. Und die bunten Stühle, Liegestühle und Tische luden sicherlich zum Bleiben ein. Jetzt sind sie weggesperrt im Kiosk – zusammen mit der großen bunten Werbeeistüte. Am Kiosk ein Schreiben des Betreibers, warum es kein Eis mehr gibt. Die Jalousien sind heruntergelassen.

Aber fangen wir ganz am Anfang an. Zu DDR-Zeiten gab es hier einen Zeitungskiosk. Nach der Wende hatte die Post kein Interesse mehr daran. Der Vertrieb von Zeitungen gehörte nicht mehr zu ihrem Geschäft. Die Post verkaufte und es wurde ein klassischer Kiosk, wie es so viele nach der Wende gab. Es gab Bier und Schnaps, ein paar Süßigkeiten und eigentlich hatte der Kiosk auch meistens zu. 

Anfang 2017 erwarb Herr Nasrat den kleinen Kiosk für 5.000 € und steckte noch einmal fast das Dreifache in den Umbau, sagt er. Er meldet sein Gewerbe an, beantragt eine Sondernutzungserlaubnis und eröffnete den Kiosk im April 2017. Doch es gibt kein Wasser und kein Abwasser, auch keine Toilette. Deshalb gibt es Auflagen von der Lebensmittelkontrolle des Bezirksamtes. Es darf nur abgepacktes Eis verkauft werden, wegen des fehlenden Frischwassers. Eis ist schließlich ein sensibles Lebensmittel und niemand soll durch den Genuss zu Schaden kommen.

Herr Nasrat betreibt seit 17 Jahren einen Eisladen in Mitte. Er hat Erfahrungen mit dem Geschäft und der Produktion von Eis und auch mit den Behörden. Doch die Auflagen der Lebensmittelaufsicht versteht er nicht. Sein eigenes Eis abzupacken ist aufwendig, teuer und fabriziert zusätzlichen Müll. Hat er große Portionen abgepackt, fragen die Leute nach kleinen Portionen und wenn die Kinder nach Schokoladeneis fragen, ist gerade das ausverkauft. Er will unbedingt loses Eis verkaufen und tut das auch trotz der Auflagen. Es folgt die erste Schließung schon kurz nach der Eröffnung. Es gibt Unterschriftensammlungen, einen Termin beim Bürgermeister, Versprechungen, die Aussicht auf einen Wasser- und Abwasseranschluss und die Wiedereröffnung. 

2019 ist dann jedoch endgültig Schluss mit dem leckeren Eis. Bei den Kontrollen flog der Verkauf des unverpackten Eises auf und es gab auch noch ein paar andere kleinere Mängel, erzählt mir Herr Nasrat. Es gibt Anwohner, die sich beim Ordnungsamt beschweren. Es geht um die fehlende Toilette und mehr. Das Ordnungsamt kommt mehrmals. Sie kontrollieren alles Mögliche. Er darf die bunten Tische und Stühle nicht mehr rausstellen und muss sogar schließen. 

Wenn er weiter sein Eis ohne Verpackung verkaufen will, braucht er dringend einen Wasser- und Abwasseranschluss. Doch für die Verlegung von Wasser- und Abwasserleitungen benötigt er erst einmal eine fachmännische Planung. Weil das Land Berlin Eigentümer des Grundstücks ist, wird eine Kaution für die Kosten der Herstellung, Unterhaltung, Instandsetzung und dem eventuellen Rückbau dieser Leitungen festgesetzt. Nach Auskunft von Herrn Nasrat soll eine Kaution in Höhe von 20.000 € hinterlegt werden. Der Anschluss selbst wird um die 12.000 € kosten und die fachmännische Planung schlägt noch einmal mit ca. 2.500 € zu Buche. Das ist viel Geld für einen Eisladen. Aber Herr Nasrat sagt, dass nicht das Geld das Problem sei. Er findet einfach kein Planungsbüro, was diesen relativ kleinen Auftrag in Zeiten des Baubooms übernehmen will.

Inzwischen hat er keine Lust mehr. Es gab Sachbeschädigungen und Anzeigen. Dazu die Beschwerden von den Bürgern. Er glaubt, dass man ihn hier in Lichtenberg nicht haben will. Es gab auch schon Kaufangebote für den Kiosk. Vielleicht hat er die bunten Stühle und den kleinen Tisch bei unserem Treffen zum letzten Mal aufgestellt und der Kiosk wechselt irgendwann den Besitzer. 

Dann gibt es kein leckeres Eis mehr am Freiaplatz, aber vielleicht bald wieder Bier und Schnaps. Ob das den Anwohnern besser gefällt?

Mir hat der kleine Eisladen hier gefallen und vielen anderen wohl auch. Nicht ohne Grund haben mich die Passanten angesprochen und nach dem Eisladen gefragt.

Ich würde mich freuen, wenn das nicht das Ende der Eiszeit hier am Freiaplatz ist. Wenn Sie ein Planungsbüro kennen, das den Auftrag übernehmen würde – das Stadtteilbüro Lichtenberg Nord stellt sicherlich den Kontakt zu Herrn Nasrat her.

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