Von Dagmar Fritzsche
Was haben beide miteinander zu tun? Seit einigen Jahren besuche ich Menschen, die das Haus nicht mehr verlassen können. Einfach um miteinander zu reden. Geredet wird über alles, auch über Ängste. Dabei ist mir aufgefallen, dass besonders große Angst vor Flüchtlingen vorhanden ist.
„DIE nehmen uns alles weg“, sagt eine 85-jährige Dame, die ich regelmäßig besuche. „Unsere Menschen schlafen auf der Straße, aber DIE kriegen eine Wohnung.“
Was übersehen wird, ist, dass es Menschen sind, die in Not waren. Da, wo sie gelebt haben, gab es Gewalt, kein Geld, keinen Job, keine Zukunft. Es war ihnen heute nicht klar, wo sie das Geld verdienen, mit dem sie morgen das Essen ihrer Kinder kaufen. Manche sagen: „Warum gehen DIE denn gar nicht zurück?“ Eine der Antworten, die ich habe: „Weil sie nicht zurück können.“ Weil sie politisch verfolgt wurden oder aus anderen Gründen nie wieder in ihre Heimat zurückkehren dürfen.
Menschen, die das selbst mitgemacht haben und vertrieben worden sind, beispielweise „die Vertriebenen“ aus Schlesien, verstehen das schon. Ich kenne auch solche Senioren.
Wen ich nicht ganz verstehen kann, sind die Menschen, die hasserfüllt sind. Aber vielleicht ist es nur die Angst, die die Medien schüren. Menschen, die alleine sind und so gut wie keine Kontakte zu anderen haben, haben oft mit diesen oder anderen Ängsten zu tun.
Ich muss an dieser Stelle an einen Vortrag des Umweltbüros über Fledermäuse denken. Bei Klassenfahrten wollte ich nie oben im Bett schlafen, weil ich Angst vor Fledermäusen hatte. Mir wurde eingeimpft, dass sie nachts in die Haare kriechen und sich festbeißen. Vor der Nacht hatte ich panische Angst. Ich habe mich komplett unter der Bettdecke versteckt. Auch meine Mutter hat mir viele Ängste mitgegeben. Und so lebst du in Angst, bevor dich jemand darüber aufklärt, dass Fledermäuse ein feines Instrument für das Orientieren haben und niemals gegen einen Gegenstand, nicht mal einen Draht fliegen würden.
Erst durch den Kontakt zu anderen Menschen lernte ich, meine eigenen Ängste abzubauen. In letzter Zeit habe ich besonders viele Menschen mit Fluchterfahrungen kennengelernt. Und viele von ihnen waren sehr aufgeschlossen und nett.
Es sind Menschen, die einen langen Weg hinter sich haben, geprägt von Armut, Hunger und Angst. Wenn sie hier angekommen sind, ist es für sie wichtig, die Sprache zu erlernen und einen Beruf auszuüben. Klar, gibt es vielleicht hier wie da ein schwarzes Schaf. Einzelfälle zu verallgemeinern, wie überall, nützt jedoch nichts. Also statt andere zu kritisieren, können wir alle aufeinander einen Schritt zugehen. Wir brauchen uns ja alle gegenseitig. Wir können nicht ohne andere Menschen sein. Wenn wir uns austauschen und aus den Erfahrungen anderer lernen, können wir nicht nur Ängste abbauen, sondern auch Freunde gewinnen.
Alle Senioren, alle Menschen, von hier und von da.