Von Simone Richter

m Jahr 1897 erhielt der heutige Roedeliusplatz bei den Planungen für ein neues urbanes Zentrum der Stadt Lichtenberg den Namen Wagnerplatz – benannt nach dem Komponisten Richard Wagner. Nachdem im Zuge der Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts die Zahl der Einwohner*innen in der Gemeinde Lichtenberg stark zunahm, reagierte die Verwaltung zunächst mit dem Bau der Glaubenskirche und des Amtsgerichtsgebäudes. Später kamen weitere öffentliche Gebäude und auch Wohnbebauung dazu.

Nach der Gründung von Groß-Berlin erfolgte die Eingemeindung der Stadt Berlin-Lichtenberg. Am Wagnerplatz war ein neues Zentrum von Lichtenberg entstanden mit Kirche, Finanzamt, Amtsgericht und Wohnbebauung. In unmittelbarer Nähe gab es inzwischen Post, Polizei, das Oskar-Ziethen-Krankenhaus und das Rathaus.

Seit 1913 fuhr dann die spätere Straßenbahnlinie 90 von der Warschauer Brücke kommend über die Möllendorffstraße und Normannenstraße bis zum Wagnerplatz. Dieser Straßenbahnlinie hat der Platz auch seine heutige Gestalt mit dem breiten Straßenbereich zu verdanken. Wer genau hinsieht, kann in der Verlängerung der Normannenstraße noch heute den Verlauf der alten Straßenbahnlinie an der unterschiedlichen Pflasterung erkennen. Erst im Jahr 2011 wurden die alten Gleise entfernt.

Bild: Museum Lichtenberg

Im Jahr 1935 erhielt der Platz den Namen Roedeliusplatz, benannt nach dem ersten Gemeindevorsteher des neuen Amtsgerichtsbezirks. Zu viele Straßen und Plätze in Berlin trugen schon den Namen des berühmten Komponisten Richard Wagner.

Nachdem der Platz den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte, begann hier ein düsteres Kapitel der Geschichte. Von 1945 bis 1955 hatte die sowjetische Militäradministration ihre zentrale Militärgerichtsbarkeit im heutigen Frauengefängnis eingerichtet. Ein Militärtribunal verhängte Todesurteile und entschied über Deportationen. Später wurden im heutigen Amtsgericht Staatsfeind*innen verurteilt. In der Schottstraße 2 soll ein Folterkeller der sowjetischen Geheimpolizei gewesen sein und in der direkten Nachbarschaft zum Roedeliusplatz wurde die Stasizentrale errichtet.

Nach dem Mauerfall und der Erstürmung der Stasizentrale durch Bürgerrechtler*innen begann wieder ein friedlicheres Kapitel in der Geschichte des Platzes. Baulich veränderte der Roedeliusplatz sein Aussehen in all den Jahren kaum. Aber seine Bedeutung als urbanes Zentrum von Lichtenberg hat er schon lange verloren. Viele Menschen passieren den Platz zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto. Im Berufsverkehr quält sich der Durchgangsverkehr in Richtung Frankfurter Allee an ihm vorbei. Aber nur wenige verweilen hier.

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