von Nancy Cott und Yvonne Gross

Himmlische Ruhe, eine Mischung aus Blumenduft und Schafsgeruch in der Nase, Vogelgezwitscher und das Surren der Insekten im Ohr – im Landschaftspark Herzberge scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Dabei hat sich dort viel getan in den letzten Jahren. Was aus Brachen einer ehemaligen Bahngleisanlage entstanden ist, kann mittlerweile als grünes Herz von Lichtenberg inmitten der Metropole Berlin gesehen werden.

Wiesenflächen mit meterhohem Gras, ein Waldgebiet mit sehr altem Baumbestand, ein Klinikgelände mit beeindruckender Architektur im Stil der Neo-Renaissance: Wer am östlichen Ende der Herzbergstraße aus der Tram steigt, wähnt sich plötzlich auf dem Lande.

Wir befinden uns im Landschaftspark Herzberge an einem der seltenen verregneten Junitage im Jahrhundertsommer 2018. Es sind kaum Menschen zu sehen. Nur ein paar vereinzelte Jogger drehen mit hochgeschlossenen Fleecejacken und zusammengekniffenen Gesichtern ihre Runden.

Auf den ehemaligen Industrie- und Agrarflächen entstand ab 2003 der heutige Landschaftspark. Entwickelt wurde und wird das Projekt vom gemeinnützigen Verein Agrarbörse e.V., gefördert durch das Bezirksamt Lichtenberg.

Ursprünglich wurde das Gelände landwirtschaftlich vom Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) genutzt und diente der Versorgung und der Genesung seiner Patienten. Später in Zeiten der DDR war das Gelände unter anderem ein Zeltlager für Angehörige der DDR-Jugendorganisation FDJ und ein Rangierbahnhof. Letzte alte Gleise verschwanden erst nach der Jahrtausendwende. Es entstand eine der mit knapp 100 Hektar größten zusammenhängenden Grünflächen Berlins.

Wo einstmals Gerbera und andere Schnittblumen vom Volkseigenen Gut Gartenbau Berlin angebaut wurden, werden heute von den Mitarbeitern der noch jungen Stadtfarm in nachhaltiger Form Welse gezüchtet und Gemüse angebaut. „Regional saisonal und frisch auf den Tisch“ ist hier die Devise.

Zwischen alten Baumbeständen, Streuobstwiesen und Weideflächen können die LichtenbergerInnen spazieren, wandern oder Sport treiben. Viele neue tierische Bewohner sind seit 2009 hinzukommen. Mehr als 50 „Rauhwollige Pommersche Landschafe“ besiedeln die Weideflächen im Park. Im Rotationsprinzip werden die Flächen regelmäßig gemäht, und das ganz ohne Strom. Außerdem gibt es drei schottische Hochlandrinder, die nur selten zu sehen sind, jedoch wenn, dann durch ihre beeindruckende Größe, Statur und Farbe imponieren. Neu im Park sind auch die zahlreichen Zauneidechsen, welche im Frühjahr aus Schöneweide hergezogen sind. Sie mussten dort einem Gewerbegebiet weichen. Mittlerweile haben sie sich sehr gut eingelebt und wohnen in friedlicher Nachbarschaft mit Molchen, Lurchen und Kröten. Auch ein Hotel für Insekten gibt es.

Wer musizieren möchte, der spielt etwas an der Xylothek – ein Xylofon aus verschiedenen Klanghölzern – hier bestehend aus Pappel, Eiche, Ahorn, Linde, Birke und Robinie. Den Unterschied hören und die Natur erlebbar machen, das ist Teil des Gesamtkonzeptes. Nicht nur wohlige Klänge, auch ein besonderes Juwel für die Augen hat dieser Park zu bieten: Der Paradiesgarten gegenüber der Stadtfarm erinnert mit seinen aus Mosaiksteinchen gefertigten Bänken an den Park Güell in Barcelona. Schwungvoll schlängeln sich die Sitzmöglichkeiten terrassenartig leicht in die Höhe. Steigt der Besucher die Treppe empor, wird dieser mit einem schönem Blick über den Paradiesgarten belohnt. Ja, Entspannung und Entschleunigung werden während des Aufenthaltes in diesem Park ganz besonders angeregt. Dafür sorgt auch der Gesundheitspfad, welcher sich durch den gesamten Park zieht. Auf verschiedenen Tafeln, die im ganzen Park verteilt stehen, liest man Anleitungen für Dehn- und Entspannungsübungen, die mit der Nähe zur Natur vereint werden.

Benannt nach einer Binnendüne

Da der Park meist recht flach ist, fragt man sich woher sein Name stammt. Er wurde nach der Binnendüne benannt, die bereits in der Steinzeit entstand und auf dem Gelände der Klinik liegt. Wirklich hohe Berge gibt es im Park keine, dafür jede Menge Herz. Wie die Arbeiten der engagierten Menschen in der Agrarbörse, bei der Stadtfarm und im Museum Kesselhaus zeigen.

Der Förderverein Museum Kessellhaus e.V. hat sich gegründet, um das ehemalige Heizhaus des Krankenhauses vor dem Verfall zu retten und instand zu setzen. Neben Ausstellungen finden hier regelmäßig Veranstaltungen statt. Darunter sind Konzerte und Feste, wie zum Beispiel das jährlich stattfindende „Herzberger Lichter“. Neben der Erholung finden Besucher also auch etwas für den kulturellen Anspruch.

Während wir unseren Ausflug so langsam beenden und von der uns umgebenden Idylle ganz berieselt sind, treffen wir noch einen weiteren Müßiggänger, der sich von dem noch stärker gewordenen Nieselregen nicht beirren lässt. Wir kommen mit ihm ins Gespräch. Es ist Dirk aus Magdeburg. Er ist gerade bei einer Freundin zu Besuch, die hier in der Nähe wohnt und ihm den Park empfohlen hat. Da sie heute einen Termin wahrnehmen musste, hat er sich zu einem Spaziergang entschlossen. Was gefällt ihm an dem Park, wollen wir wissen. Er findet, besonders das kleine Waldgebiet hat so etwas Ursprüngliches, weil es so dicht bewaldet von alten Bäumen sei.

In Zukunft wolle er öfter herkommen, wenn er in der Nähe sei.

Auch weil der Park öffentlich gut zu erreichen und noch lange nicht so überlaufen sei. Letzteres stellt jedoch ein Umstand dar, der sich bald ändern könnte. Der Errichtung des neuen Wohnviertels im Lindenhof bereitet Anwohnern und Parkliebhabern etwas Sorge. Denn durch tausende neue Bewohner direkt am Rande des Parks wird sich der Zustrom auf die Grünflächen bemerkbar machen. Knapp 700 Wohnungen werden hier bald neu bewohnt sein. Wie letztendlich mit der Belebung umgegangen wird, wird sich zeigen. Eine Herausforderung, die auch eine Chance sein kann. Chancen nämlich für neue Ideen und Initiativen, den Park weiter zu entwickeln und zu schützen.

Fotos: Nancy Cott, Yvonne Gross

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Dieser Artikel entstand im Rahmen des Workshops für journalistisches Schreiben mit Marcel Gäding. Organisiert wurde der Workshop in der Zusammenarbeit des Stadtteilzentrums Lichtenberg Nord und der Margarete-Steffin-Volkshochschule.

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