Von Laura Stein

Der Alte Friedhof in der Gotlindestraße

Die Sonnenstrahlen fallen vereinzelt durch die Baumkronen, während ein leises Rauschen zwischen den Blättern zu vernehmen ist. Sträucher und Wiesen werden von verschiedenen Insekten bevölkert, die hin und wieder einem vorbeilaufenden Hund ausweichen müssen. Spaziergänger passieren wilde Brombeerbüsche und alte Grabsteine, auf denen sich Zitronenfalter hingesetzt haben. Das ist der alte Friedhof in der Gotlindestraße, im nördlichen Bereich des Lichtenberger Nibelungenkiez.

Als Friedhof wird die Anlage schon lange nicht mehr genutzt. Doch komplett verwildert ist das Gelände dadurch nicht. Der Grund befindet sich im Fachvermögen des Straßen- und Grünflächenamts Lichtenberg. Das Amt nutzt diese für die Ausbildung von Gärtner*innen, die sich der Pflege des Areals annehmen. Davon zeugen einige Grünflächen, die mit Jungbäumen bepflanzt sind, aber auch kleinere Ziergärten und ein Biotop. Ein altes Backsteinhaus wird für den Unterricht der Auszubildenden genutzt.     

Früh morgens trifft man hier bereits die ersten Spaziergänger mit ihren vierbeinigen Begleitern. So auch den 53-jährigen Gerd, der seinen Mischlingsrüden Ronnie hier täglich ausführt. „Die alten Gräber machen das Ambiente von dem Park erst recht aus“, meint er. Auf einem normalen Friedhof würde er natürlich nicht Gassi gehen, aber die Anlage sei ja mehr Grünfläche und die hier noch liegen, sind schon lange tot. 

Tatsächlich ragen aus den Wiesen und Sträuchern einige alte Grabsteine heraus. Unübersehbar ist ein Mausoleum direkt am Eingang in der Gotlindestraße, gefolgt von großen Grabsteinen an der südlichen Mauer der Anlage. In diesem Bereich hat eine Lichtenberger Lokalgröße die letzte Ruhestätte gefunden – Oskar Ziehten, erster Bürgermeister Lichtenbergs und nicht nur Namensgeber für das Krankenhaus im Nibelungenkiez. Das im Stadthaus beheimatete Museum Lichtenberg weiß zu berichten, dass Ziehtens Kommunalpolitik durchaus weitsichtig und für die damalige Zeit modern war. So trieb er in seiner Ära Anfang des 20. Jahrhunderts die Elektrifizierung, den Wohnanlagen- und Schulbau sowie die Verkehrsanbindung der damals noch Landgemeinde Lichtenberg voran. Auch das Amtsgericht am heutigen Roedeliusplatz und der Park an der Parkaue entstanden während seiner Amtszeit. Ein Mann, der Vieles bewegt hat und auch nach seinem Tod dem Bezirk mit der Grabstätte in der Gotlindestraße treu geblieben ist. Stadtgeschichte pur.

Gerd spricht sich ganz klar für eine Erhaltung der Anlage aus: „ Hauptsache die machen das Ding nicht platt und bauen Wohnungen.“ Grundsätzlich würde der Park viel genutzt werden und die teilweise Bewirtschaftung durch das Amt wäre eine gute Sache. Auf die Frage hin, was er von einem Nachbarschaftsprojekt auf dem Gelände halte, meint er: „Kann man machen, muss sich nur einer drum kümmern. Platz genug ist ja hier.“   

Potential könnte man in dem ehemaligen Friedhof wirklich sehen. Eine komplette Umgestaltung der Grünfläche – in naher Zukunft unwahrscheinlich. Ein Projekt zum ehemaligen Urnenfriedhof in der Rudolf-Reusch-Straße hatte diesbezügliche Hürden bereits aufgezeigt. Die Mischung aus Erhaltung der Stadtgeschichte, dem Angebot einer Grünfläche und der modernen Stadtentwicklung ist herausfordernd.  Dipl. Ing. Florian Rüster, welcher damals einen ausgefeilten Entwurf zur Umgestaltung des Urnenfriedhofs vorgelegt hat, kennt die Schwierigkeiten. „Meine generelle Entwurfshaltung äußert sich darin, mit der Geschichte, der Atmosphäre des Ortes und mit den aktuellen Nutzeransprüchen zu arbeiten und zwischen diesen Aspekten einen Konsens zu finden, der etwas Neues entstehen lässt“, erklärt Rüster seinen Entwurf. Eine Instandsetzung wurde durch die Bürger allerdings damals abgelehnt. Doch durch die entstehenden Bauten rund um den Rathauspark würde laut Rüster der Nutzungsdruck wachsen, sodass sein Entwurf die Diskussion hoffentlich wieder anstoße.    

Für den ehemaligen Friedhof in der Gotlindestraße liegen solche Pläne nicht vor. Aber auch diese Ecke Lichtenbergs erfreut sich wachsender Beliebtheit. Nach Angaben der für die Entwicklung der Fläche zuständigen Gesellschaft, ist eine Nutzung für gemeinschaftliche Projekte der Nachbarschaft grundsätzlich möglich, müsse aber vorher mit dem Straßen- und Grünflächenamt Lichtenberg abgesprochen werden. Engagierte Anrainer hätten also durchaus Chancen, eine weitere Belebung der Fläche voranzutreiben.

Der alte Friedhof in der Gotlindestraße – ein Stück Stadtgeschichte und vielleicht bald ein Ort, wo die Nachbarschaft in Zukunft zusammenkommt. 

Laura Stein
Hobbyautorin und Kiezenthusiastin

 

 

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