TEXT VON ANKE HAUSCHILD
Der Weg eines großen deutschen TV-Moderators – vom Waisenhaus über Friedhöfe und Schrebergarten im Fennpfuhl zum Fernsehen.
Es gab eine Zeit, in der auch dort viele Menschen gezwungen waren, um ihr Überleben zu kämpfen. Unzählige haben diesen Kampf nicht gewonnen. Es war eine Zeit, wo Menschenjagd auf Juden und andere an der Tagesordnung war. Viele wurden abtransportiert und das Leben in Lagern ausgelöscht. Manche wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt. In jener Zeit war der Fennpfuhl noch keine Großsiedlung, sondern ein von Garten- und Brachland geprägter Ort mit einem kleinen See in der Mitte. Dieser idyllische Flecken Berliner Erde sollte die Kulisse für eine dramatische Geschichte werden. Ihr Hauptdarsteller – der spätere bekannte Fernsehmoderator Hans Rosenthal (1925-1987).
Nach dem frühen Tod beider Eltern kam Hans Rosenthal zusammen mit seinem Bruder in ein Waisenhaus. Ab 1940, erst 15 Jahre alt, musste er als Jude für die Nationalsozialisten Zwangsarbeit leisten. Er wurde unter anderem als Totengräber auf Berliner Friedhöfen eingesetzt und hat Gräber für unzählige Kriegstote ausgehoben. Am 27. März 1943 verschwand Hans Rosenthal. Das war wohl seine einzige Chance, zu überleben. Da war er 17 Jahre alt.
Ein halbes Jahr zuvor wurde sein kleiner Bruder Gert deportiert und kehrte nie wieder zurück. Denn auch Kinder wie Gert wurden in dieser Zeit des Schreckens ermordet. Weil seine Eltern nicht mehr lebten, schickte seine Oma Hans Rosenthal zu ihrer Bekannten Ida Jauch, die eine Laube in der Kolonie Dreieinigkeit am Fennpfuhl hatte. Dort fragte er Ida Jauch, ob sie ihn vielleicht aufnehmen und verstecken könnte.
Frau Jauch quartierte ihn in einem Hinterzimmer ihrer Laube, wo sie früher Hühner gehalten hatte, ein. Das kleine Zimmer hatte eine Tapetentür, die von außen als solche nicht zu erkennen war.
Hans lebte ein Jahr lang dort auf nur vier Quadratmetern. Der Verschlag hatte ein winziges Fenster, das nur so groß wie ein Taschentuch war. Das war alles: eine Matratze auf Holzklötzen, ein Stuhl, ein Tisch und ein Nachttopf. Obwohl die knappen Lebensmittelrationen für einen Menschen nicht ausreichten, teilte Frau Jauch sie mit dem Jungen und leerte jede Nacht heimlich seinen Nachttopf aus. Das durfte niemand sehen und niemand wissen, weil es zu gefährlich war. Wäre sie aufgeflogen, hätte das womöglich tödliche Konsequenzen für sie gehabt.
Nach einem Jahr starb Ida Jauch. Eine Nachbarin der Schrebergartenanlage, Maria Schönebeck, nahm den inzwischen 18 Jahre alten Hans Rosenthal bei sich auf. In ihrer Laube kam er ein weiteres Jahr unter. Eine dritte Frau, Emma Harndt, versorgte den jungen Mann mit der „Berliner Morgenpost“. Aufnehmen konnte sie ihn nicht, weil sie selber unter Beobachtung stand. Jede der drei Frauen hat auf ihre eigene besondere Weise das Überleben des damals noch jugendlichen Hans Rosenthal ermöglicht. Ida Jauch und Maria Schönebeck haben sogar ihr eigenes Leben riskiert und sich der Gefahr ausgesetzt, selbst mit ins Konzentrationslager abtransportiert zu werden.
Am 25. April 1945 wurde Berlin-Lichtenberg von der Roten Armee eingenommen.
Für Hans Rosenthal bedeutete der Tag der Einnahme seine Befreiung. Jahre später wurde geräumt, wo Hans Rosenthal seinerzeit überlebte: Ende der 60er-Jahre sind zwischen Landsberger Allee und Weißenseer Weg die Kleingartenanlagen dem Erdboden gleichgemacht worden, darunter die Kolonie Dreieinigkeit.
Hans Rosenthals Medien-Karriere begann beim Berliner Rundfunk. Er wechselte später zum RIAS. Dort wurde er wurde schließlich einer der beliebtesten deutschen Quizmaster von Unterhaltungssendungen im Hörfunk in den 1950er- bis 1980er-Jahren, die er auch meistens selbst entwarf.
Bereits 1955 gab es für Hans Rosenthal mit einer Adaption der Hörfunkreihe „Wer fragt, gewinnt“ erste Auftritte als Quizmaster im Fernsehen. Seine größten Erfolge im TV erreichte er mit „Gut gefragt ist halb gewonnen“, „Dalli Dalli“ sowie „Rate mal mit Rosenthal“ und vielen weiteren Sendungen. Hans Rosenthal war inzwischen nicht nur eine Radiolegende, sondern einer der beliebtesten und erfolgreichsten Quizmaster der Siebziger- und Achtzigerjahre geworden.
Besonders bekannt geworden ist er für eine ganz bestimmte Frage und seine Luftsprünge bei der TV-Sendung „Dalli Dalli“. Wenn Kandidaten besonders viele Punkte erreicht hatten und das Publikum besonders stark applaudierte, stellte er die immer gleiche Frage: „Sie sind der Meinung, das war …?“ und das Publikum antwortete mit „spitze!“, während Rosenthal in die Luft sprang. In späteren Folgen wurde dieser Sprung im Fernsehbild kurz als Standbild „eingefroren“.
62 Jahre nach dem ersten Herzschlag seiner Geburt am 2. April 1925 schlug sein Herz ein letztes Mal am 10. Februar 1987. Hans Rosenthal erlag einem Krebsleiden und wurde in einem Ehrengrab des Landes Berlin auf dem Jüdischen Friedhof Heerstraße in der Ehrenreihe im Feld I beigesetzt.
Bis heute ist und bleibt er unvergessen.
Am 8. September 2011 hat Lichtenberg vor der Grundschule am Roederplatz, Bernhard-Bästlein-Straße 22, 10367 Berlin, einen Informations- und Gedenkort für Hans Rosenthal und seine mutigen Lichtenberger Retterinnen errichtet. Seit dem 9. Mai 2019 trägt eine Lichtenberger Schule seinen Namen. Die Fennpfuhl- Grundschule feierte an diesem Tag die Namensgebung in Hans-Rosenthal-Grundschule. Damit hat die 2017 gegründete Grundschule in der Bernhard-Bästlein- Straße 56 einen richtigen und wichtigen Namen bekommen.
Welche Größe Hans Rosenthal wirklich hatte, was er für ein Mensch war und was ihn ausmacht, war so viel, so unglaublich viel. Es zeigt sich auch in diesem Satz, den er später einmal sagte: Es sei der Mut und die Hilfsbereitschaft dieser Laubenpieper gewesen, die es ihm möglich gemacht hätten, nach der Befreiung wieder unbefangen und ohne Hass unter Deutschen zu leben.