TEXT VON RAINER BOSSE

Rainer Bosse ist Vorsitzender des Bürgervereins Fennpfuhl und engagiert sich seit seinem Umzug in sein „Hochkantdorf“ für seinen Kiez. Vor wenigen Wochen beendete er seine kommunalpolitische Tätigkeit als Bezirksverordneter und als Vorsteher der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Fast 30 Jahre leitete er die Geschicke in dem Kommunalparlament. Nun kann er sich voll und ganz auf das Jubiläum „50 Jahre Fennpfuhl“ konzentrieren, das ihn schon seit einiger Zeit umtreibt. Seine Gedanken hält er fortan in einem Tagebuch fest.

Das Thema „50 Jahre Fennpfuhl“ beschäftigt mich seit knapp zwei Jahren mehr oder weniger intensiv. Für den Vorstand des Bürgervereins entstand 2019 eine Projektskizze, deren Inhalt das Grundgerüst des jetzigen Konzeptes bildet. Seit Ende 2020 ist es Gegenstand wiederkehrender Diskussionen im Forum Fennpfuhl. Es kommen auch immer wieder neue Ideen, wenn einem ein Stichwort begegnet oder an dem schwierigen Unterfangen der Sichtung diverser Festplatten aus alten Rechnern (teilweise auch mit Datenrettungsprogrammen) gearbeitet werden muss. Jetzt habe ich, auch angesichts des feststehenden Ausscheidens aus der BVV und der Tatsache, dass damit das Tagebuch der BVV geschlossen wird, entschieden, ein neues Tagebuch zu beginnen. Ich nenne es Jubiläumstagebuch 50 Jahre Fennpfuhl. Es beginnt mit dem Datum von heute, 23.10.2021, wird aber der Vollständigkeit halber auch noch einen, aus Kalendern und Dateien rekapitulierten Rückblick auf zum Jubiläum gehörende Termine, Aktionen und Dokumente umfassen. Dieser heißt Frühgeschichte eines Jubiläums und wird am Anfang des Tagebuches noch eingefügt. Dem folgt das Kapitel Vorgeschichte, das die Zeit bis zum Beginn des Jubiläumsjahres 2022 umfasst. Kapitel drei trägt konsequenterweise die Überschrift „Das Jubiläumsjahr“. Vermutlich wird es aber auch noch einen Nachschlag zu den Erkenntnissen und Schlussfolgerungen aus einem solchen Jubiläum und dessen offenbar unvermeidlichen bürokratischen Nachwehen im Jahr 2023 geben.

Frühgeschichte

Am 23. Oktober schreibe ich zunächst einen Artikel für die Info-Links. Darin geht es um das Thema „Sauberer Fennpfuhl“ und einen von mir für die letzte Sitzung der BVV VIII.-Wahlperiode eingebrachten und gemeinsam von Linke, CDU, SPD und den Bezirksverordneten von B90/Grüne beschlossenen Antrag zu einer ungeschminkten Lagebewertung der Situation im Fennpfuhl. Dazu entstehen, weil „Goldener Herbst“-Wetter ist, die passenden Fotos. Danach steht der erste Work-Shop für einen neuen KiezBlick und das Broschüren-Projekt zum Jubiläum in meinem Terminkalender. Marcel Gäding leitet ihn in den Räumen der VHS und ich bin als Wissensträger gefragt. Es heißt, mich zu porträtieren sei ein dickes Brett, weil ich derart viel zum Thema Fennpfuhl wüsste, dass die üblichen Regeln für Porträts oder Interviews Gefahr liefen, gesprengt zu werden. Trotzdem ist nach einiger Zeit das Eis gebrochen und es kommt zu Frage und Antwortrunden, die Spaß und Lust auf mehr machen. Es folgt meinerseits also ein Intermezzo zu Hause, um Unterlagen und eine Festplatte zu holen und dabei auf Verdacht bei Wolfgang Looß anzurufen, für dessen Villa sich eine der ehrenamtlichen Lokalreporterinnen interessiert. Ich habe Glück, nicht nur, dass ich ihn erreiche, sondern auch damit, dass er mit den Worten „ich gehe keiner geregelten Arbeit nach“ zusagt, in den Work-Shop einzusteigen.So wird der Nachmittag von 13 bis 17 Uhr schon mal ein Erfolgserlebnis; und das nicht nur für mich. Zu Hause fasse ich mir ein Herz und rufe auch noch Frau Sommerlatte an, die ebenfalls auf der Liste der zu interviewenden Menschen steht. Es wird ein herrliches, 20 Minuten dauerndes Gespräch. Es endet mit der Erlaubnis, die Telefonnummer einer weiteren „Reporterin“ geben zu dürfen und der Vereinbarung, sich in der ersten Novemberwoche nach langer Zeit endlich wieder einmal persönlich in der Quatschtrommel zu treffen. Ja und dann, weil ich die Bereitstellung von Datein versprochen habe, bleibe ich in meinen Festplatten „hängen“, schaue mir meine Videointerviews mit Buchhändler Petersohn und Schwimmmeister Wasko von 2008 (!) an und lande auch bei der PDF mit dem Titel „Zeitungsbestand des Museum Lichtenberg bis 1989“, die ich einer vor Jahren schamlos angefertigten Kopie, der leihweise überlassenen Museumsakten, verdanke. Frau Christine Stehr sei Dank dafür. Es kommt beim Lesen zum „Heureka“, dass die Geschichtsdarstellung zum Gründungstag des Stadtteils, die überall, auch von mir, bisher den 2. Dezember 1972 nennt, korrigiert werden muss. Die rot umrandete Datumsangabe 02.12.1972, die offenbar bisher der Leitstern für alle Heimatforscher und Buchautoren war, prangt auf der Kopie eines Zeitungsartikels aus dem Neuen Deutschland vom 2. Dezember 1972. Das haben wir bisher alle ignoriert, müssen aber anerkennen, dass selbst das Zentralorgan einen Artikel zu einer bei Tageslicht vollzogenen Grundsteinlegung damals nicht am gleichen Tag produzieren und gedruckt auch noch in alle Winkel der DDR liefern konnte. Der Artikel beginnt mit „Am Freitag…“. Sicherheitshalber habe ich das Internet, befragt, das für den, einem 2. Dezember des Jahres 1972 vorausgehenden Freitag, das Datum 1. Dezember 1972 ausspuckte.

Zum Glück haben wir das also noch vor der Produktion neuer Schriften gemerkt, werden aber die bisherigen Autoren nicht zu Dementis zwingen, denn wir können nun mit der von uns geplanten Broschüre die Wahrheit verkünden, oder den ehrenamtlichen Reportern des KiezBlicks diesen Coup überlassen. Wenn Marcel Gäding das erlaubt … als Chef einer Zeitung, die ja solche „Forschungsergebnisse“ auch gern mal exklusiv verwertet.

Foto: Marcel Gäding

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