TEXT VON HANNELORE DEHL

 

Als Kurt Böwe 1974 mit seiner Familie in diesen Lichtenberger Kiez zog, waren die Bauarbeiten für das neue Wohngebiet längst nicht abgeschlossen. Er sollte hier 26 Jahre zu Hause sein.

Kurt Böwe, am 28.04.1929 in Reetz (Westprignitz) als das fünfte von sieben Kindern geboren, war 1974 ein Schauspieler, der noch bekannter werden wollte, als er schon war und nach seinen Auftritten in Halle unbedingt an das Deutsche Theater strebte. Doch zunächst begann er an der Rolle des Bildhauers Kemmel in „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ (1974, Regie Konrad Wolf) zu arbeiten.

Mit der Zeit wurde Kurt Böwe im Fennpfuhl ein Original, das man schon von Weitem erkannte; eine raumgreifende Gestalt mit seinem legendären Einkaufsbeutel, in dem noch zwei andere steckten, wie Matroschkas, schlurfend zur Kaufhalle unterwegs. Er konnte ja nicht wissen, ob es plötzlich Apfelsinen oder Bananen gab.

So kannten ihn die Leute auch aus seinen unzähligen Theaterauftritten und Filmen, den Jüngeren besonders als Kommissar Groth aus dem Polizeiruf 110 geläufig. Das Publikum nahm ihm seine Rollen ab, er war einer von ihnen. Dann kam es vor, dass er außerhalb seiner Rollen auch als Bürgermeister und Klempner verwechselt wurde oder: „Plötzlich steht er einem Mann gegenüber, der ihm den Weg versperrt mit den Worten: ,Dich kenn ich!‘ Der weithin bekannte K.B. ist maßvoll erfreut und zeigt dies auch mit einem ermunternden Lächeln, worauf der andere mit auf die Person von K.B. gerichteten Zeigefinger seine Kenntnis erläutert: ,Baukombinat Rostock!“(1)

Seine Wohnung befand sich im 18. Stock eines Punkthochhauses in der heutigen Landsberger Allee. Viel Straßenverkehr, aber immer den Blick über die Stadt auch bis zum Friedrichshain, wo er gern mit seiner kleinen Tochter Winnie, eines seiner vier Kinder, und Kinderwagen hin spazierte. In seinem kleinen Arbeitszimmer, das vollgestopft mit Büchern war, traf er sich unter anderem mit Regisseur Andreas Dresen, einem Kameramann und einer Kostümbildnerin für den Film „Stilles Land“ (1992).Oder er ließ sich hier vom Journalisten und Publizisten Hans-Dieter interviewen, und und da konnte es passieren, tief in seine Gedankenwelt verschwunden, dass eine seiner Suppen auf dem Herd anbrannte. Seine Erinnerungen, auf den Fensterbrettern drapiert, ließ er von seinen Besucher*innen betrachten: Urlaubsfunde vom Strand, Geschenke von Schauspielerkolleg*innen und kleine Requisiten, die er bei Dreharbeiten hat mitgehen lassen.

Seine Tochter Winnie charakterisiert ihn, bis sein bester Freund Dieter Franke starb, als geselligen Menschen. Den engsten Kontakt hielt er zum Künstlerehepaar Ensikat, das ganz in seiner Nähe am Anton- Saefkow-Platz wohnte.

Kurt Böwe wollte kein Schauspieler werden. Das hatte er einem Lehrer aus Kyritz zu verdanken. Die Mutter wünschte sich, dass er Arzt wird, die Schwester Anna erinnert sich an einen Minister- oder Pastorenberuf. Er sagt von sich, wenn sein Asthma nicht gewesen wäre, wäre er Bauer geworden. Wegen seiner Krankheit hatte ihm ein Arzt vorausgesagt, dass er höchstens zwanzig wird. Über jedes weitere Lebensjahr hinaus war er glücklich.

Kurt Böwe war kein richtiger Stadtmensch. So zog er in seinen letzten Lebensjahren nach Krumbeck und verstarb am 14.06.2000.

„Ich habe nicht schlecht gelebt. Nichts ist mir fremd.“(2)

Und der Fennpfuhl gehört bestimmt dazu.

 


1 Hans-Dieter Schütt „Kurt Böwe Der lange kurze Atem“, Verlag das neue Berlin, 1997, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, S. 280, ISBN 3-359-00786-7

2 „Im Gespräch“ befragt Knut Elstermann ostdeutsche Filmstars, be.bra verlag 2021, S. 170, ISBN 978-3-86124-748-7

 

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